Newsletter Winter 2024
Dienstag, 24.12.2024
Notarielle Vereinbarung über die Aufteilung der Ehewohnung gemäß § 97 EheG ist absolut „gerichtsfest“
1) Gemäß § 97 Abs 1 Ehegesetz-EheG können mittels Notariatsakt im Voraus Vereinbarungen über die Aufteilung der Ehewohnung im Scheidungsfall getroffen werden.
2) Bei Unbilligkeit, also bei grober Benachteiligung eines der Ehegatten durch eine Vorab-Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens- nicht aber bezüglich einer Aufteilung der Ehewohnung - kann das Gericht gemäß § 97 Abs 2 EheG im Rahmen einer Ex-Post-Kontrolle von der Vorab-Vereinbarung abweichen.
3) Gemäß § 97 Abs 3 EheG kann das Gericht im Zuge der Ehescheidung von einer (notariellen) Vorab-Vereinbarung der Ehegatten über die Nutzung der Ehewohnung unter bestimmten Voraussetzungen abweichen (Ex-Post-Kontrolle des Gerichtes). Als Gründe für ein solches Abweichen sind im Gesetz die Gefährdung der Lebensbedürfnisse eines der beiden Ehegatten oder eines gemeinsamen Kindes oder eine deutliche Verschlechterung der Lebensverhältnisse dieser Personen genannt.
4) In der Rechtslehre war bisher umstritten, ob die Möglichkeit des „Eingriffes“ des Gerichtes in eine Vorab-Vereinbarung der Ehegatten über die Ehewohnung auch die Aufteilung, also die Zuordnung des Eigentumsrechtes, oder nur die Nutzung der Ehewohnung umfasst.
5) In einer ganz aktuellen Sachentscheidung vom 24.10.2024, Geschäftszahl 1 Ob 95/24 p, hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage unter umfassender Berücksichtigung der bisherigen, widerstreitenden Literaturmeinungen endgültig Stellung bezogen und ausgesprochen:
6) Die tragenden Erwägungen dieser Entscheidung können wie folgt zusammengefasst werden (Spruch des OGH in blauer Farbe):
Das Gericht kann von einer Vereinbarung über die Aufteilung einer Ehewohnung nach § 97 Abs 2 und Abs 3 EheG auch bei grober Unbilligkeit nur in Bezug auf die Nutzung dieser Wohnung abweichen. Bildet die Ehewohnung aber ganz oder teilweise eheliche Errungenschaft, so ist unter den Voraussetzungen des § 97 Abs 2 EheG die Auferlegung einer Ausgleichszahlung möglich.
Anmerkung des Verfassers: Als Errungenschaftswohnungen werden Ehewohnungen bezeichnet, die von den Ehegatten während aufrechter Ehe erworben wurden, also nicht von einem der Ehegatten in die Ehe eingebracht wurden.
Ob Unzumutbarkeit iSd § 97 Abs 2 EheG (siehe oben: Unbilligkeit iS Absatz 2)) vorliegt, ist durch einen Vergleich der Aufteilungsergebnisse mit und ohne Beachtung der Vereinbarung zu ermitteln. Ein Indiz für die Unzumutbarkeit kann im Einzelfall darin liegen, dass ein Ehegatte bei Beachtung der Vereinbarung mehr als die Hälfte weniger erhielte als ohne diese Vereinbarung.
Ist Unzumutbarkeit anzunehmen, so ist unter Bedachtnahme auf § 97 Abs 4 EheG (nur) so weit von der Vereinbarung abzuweichen, dass das Ergebnis der Aufteilung im Einzelfall nicht mehr unzumutbar ist.
Diese Entscheidung des OGH klärt also die bisher strittigen Fragen dahingehend, dass bei einem Notar gemäß § 97 Abs 1 EheG getroffene Scheidungsvorvereinbarungen über das Schicksal der Ehewohnung – Aufteilung des Eigentums an der Ehewohnung – sogar bei Unzumutbarkeit iSd obigen Absatzes 2) unverrückbar sind.
Das Gericht kann im Rahmen einer Ex-Post-Kontrolle nur bezüglich der Nutzung der Ehewohnung (Wohnungsgebrauchsrecht / Fruchtgenußrecht / Benützungsregelung / Recht auf Vermietung und Verpachtung udgl) in die Vorabvereinbarung eingreifen, allerdings immer nur gerade so weit, dass das Ergebnis der vereinbarten Aufteilung nicht mehr unzumutbar ist.
Die Vorab-Aufteilung des Eigentums an der Ehewohnung beim Notar für den Fall der Scheidung der Ehe ist daher absolut „gerichtsfest“.
Dr. Gernot Fellner – Linz, im Dezember 2024