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Newsletter Februar 2020

Mittwoch, 04.03.2020

(Rechts-)Streitvorbeugung durch Testamentserrichtung

Wie wichtig es ist, als Ehegatten (oder Lebensgefährten) ein Testament gerade für den Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden, aber zeitnahen Versterbens zu errichten, hat die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 17.12.2019, 2 Ob 62/19k, wieder einmal deutlich gemacht.

Ehegatten hatten jeweils Kinder aus einer früheren Ehe und keine letztwillige Anordnung. Im Anlaßfall wurden diese Ehegatten bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt, dass sie kurz hintereinander in verschiedenen Spitälern verstorben sind. Allerdings erfolgte der Eintritt des Todes des Mannes laut Sterbeurkunde um eine Stunde und zwanzig Minuten später als der Tod seiner Gattin. Nachdem der Mann die Frau also, wenn auch nur kurz, überlebt hatte, erbte sein ruhender Nachlaß (und damit seine Nachkommen) auf Grund des Gesetzes ein Drittel des Vermögens seiner Frau neben den leiblichen Kindern der Ehegattin.

Wären die Ehegatten tatsächlich und nachweislich gleichzeitig verstorben, hätten jeweils nur ihre eigenen Kinder den gesamten Nachlaß von Vater beziehungsweise Mutter geerbt. Die Kinder der Ehefrau haben sich im Prozeß auf § 11 Todeserklärungsgesetz-TEG berufen, der besagt:

Kann nicht bewiesen werden, dass von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, so wird vermutet, daß sie gleichzeitig gestorben sind.

Allerdings hat der OGH in seiner obigen Entscheidung klar festgestellt, dass auch dann, wenn laut ärztlicher Aussagen „nicht ausgeschlossen werden konnte", dass der Hirntod des Mannes schon zum gleichen Zeitpunkt eingetreten war, wie jener der Frau, diese Aussage nicht ausreichend ist, um den Beweis, den die Sterbe-urkunden mit den unterschiedlichen Todeszeitpunkten liefern, zu entkräften.

Ein besonders dramatisches Beispiel für nicht gewollte erbrechtliche Rechtsfolgen mangels Testament hat im Spätherbst 2000 das größte Unglück in der österreichischen Seilbahngeschichte geliefert, als im Stollen der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun insgesamt 155 (einhundertfünfundfünfzig) Menschen verbrannt oder erstickt sind. Fünfzehn der Opfer stammten aus Wels in Oberösterreich, weil sie Teilnehmer oder Begleiter eines Betriebsausfluges des Magistrates der Stadt Wels waren. Frau o. Univ.-Prof. Dr. Edith Tutsch-Bauer, Lehrstuhlinhaberin für Gerichtliche Medizin an der Universität Salzburg zum Unglückszeitpunkt, hatte damals dem in Wels für die Verlassenschaftsabhandlungen der Welser Opfer zuständigen Gerichtskommissär auf dessen Befragen mitgeteilt, dass die Gerichtsmedizin Salzburg absolut in der Lage sei, trotz des unfassbaren Desasters und der Verwüstung des Unfallortes und der Entstellung der Opfer durch den Brand, für jedes Unfallopfer den individuellen, genauen Todeszeitpunkt festzustellen. Damit war klar, dass verschiedene Opfer einander laut offizieller Feststellung oftmals nur um wenige Minuten, aber im Rechtssinne sehr wohl, überlebt hätten.

Rechtlich hätte dies zur Folge gehabt, dass wie im Falle der beim Verkehrsunfall ums Leben gekommenen Ehegatten, Ehegatten und Verwandte unter den Opfern, aber auch Lebensgefährten mit wechselseitigem Testament, einander noch beerbt hätten, wenngleich der Erbe oder die Erbin laut Gerichtsmedizin schon eine Minute später selbst verstorben war. Das Erbrecht wäre noch angefallen gewesen, ein Erbteil wäre auf eine „andere Seite" gelangt und eigene Nachkommen wären wohl auf diese Weise unbeabsichtigt verkürzt worden. Ganz zu schweigen, dass die Opferangehörigen womöglich neben der Belastung durch den Verlust ihrer Lieben und den nachfolgenden Strafprozeß mit der endgültigen Urteilsfeststellung des Richters, „Gott hat für einige Minuten im Tunnel das Licht ausgemacht", auch noch in erbrechtliche Zivilprozesse verwickelt worden wären.

Auf Hinweis des in Wels zuständigen Gerichtskommissärs hat die Gerichtsmedizin Salzburg als offiziellen, einheitlichen Todeszeitpunkt im Kaprun-Desaster für alle Verstorbenen ein und dieselbe Uhrzeit, wenige Minuten nach 09.00 Uhr am 11. November 2000, festgestellt und damit zumindest etliche zivilrechtliche Auseinandersetzungen vermeiden geholfen.

Wegen der Kenntnis von den überragenden gerichtsmedizinischen Fähigkeiten wird im Notar-Bureau Dr. Fellner seit dem Fall Kaprun daher allen Ehegatten und Lebensgefährten, die ein wechselseitiges Testament mit Anordnungen für den Fall „gleichzeitigen Versterbens" errichten möchten, dringend ans Herz gelegt, diese Anordnungen nicht nur für den Fall tatsächlichen gleichzeitigen Ablebens, wenn unterschiedliche Todeszeitpunkte nicht eruiert werden können (z.B. bei einem Flugzeugabsturz oder Schiffsuntergang), sondern auch für den Fall zu treffen, in dem der überlebende Partner so zeitnahe zum Erstversterbenden nachverstirbt, dass er oder sie selbst keine Erbantrittserklärung mehr abgeben kann.

Falls Sie beabsichtigen, ein derartiges Testament aufzusetzen, beraten wir Sie gerne.

Linz, im Februar 2020 Dr. Gernot Fellner